Chronik
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WKO

Sommerkonzerte 2005

In memoriam Franz Stepanek (+ 2005)



Sergeij Rachmaninov: Klavierkonzert Nr.2

L.v.Beethoven : Sinfonie Nr. 3 „ Eroica“




Sa., 25. Juni, 20:00 Uhr Waidhofen/Ybbs, Schlosscenter
So., 26. Juni, 11:00 Uhr St. Pölten, Festspielhaus
So., 26. Juni, 20:00 Uhr Stift Melk, Kolomanisaal

Solist: Christopher Hinterhuber, Klavier

Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs

Dirigent: Wolfgang Sobotka


Von äußeren und inneren Krisen

Symphonie Nr. 3, Es-Dur, op. 55, Eroica (Uraufführung 1805)

Ludwig van Beethoven setzt mit seiner dritten Symphonie einen ganz entscheidenden musikhistorischen Schritt. Das Werk stellt auch aus heutiger Sicht alles bis dahin Komponierte in den Schatten. Die klassischen Schuhe seiner Vorgänger Joseph Haydn und W. A. Mozart sind Beethoven zu klein und zu eng geworden. Sie drücken an allen Ecken und Enden: Die Eroica spricht eine eigene, ausladende Sprache. Noch nie zuvor war eine Symphonie so lang, so kühn im Einsatz der Instrumente und deren Klänge (Symphonie: griechisch Zusammenklang), die damit erzeugt werden. Im Heiligenstädter Testament schreibt er am 6. Oktober 1802: „Ach es dünkte mich unmöglich die Welt zu verlassen bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte ... trotz allen Hindernissen der Natur doch noch alles getan, was in seinem Vermögen stand, um in die Reihe würdiger Künstler und Menschen aufgenommen zu werden.“

Gewidmet hat Beethoven das Werk seinem erklärten Helden Napoleon Bonaparte. Dieser krönt sich aber entgegen allen republikanischen Hoffnungen selbst zum Kaiser. Von der ursprünglichen Widmung blieb große Enttäuschung und eine bloße Erinnerung an die Ideale von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit wie sie die Französische Revolution 1789 proklamierte. Eine „Heldensymphonie, niedergeschrieben, um das Andenken an einen großen Mann zu feiern“, so lautet der nunmehrige Titel, den Beethoven der dritten Symphonie verlieh. Seine Einschätzung Napoleons aus dem Jahr 1803 ist ernüchternd: „Ist er auch nicht anders wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit den Füßen treten, nur seinem Ehrgeiz frönen. Er wird sich nun höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden.“

Die Uraufführung dieses Frühkeims der nachfolgenden Romantik irritierte den Rezensenten der Allgemeinen Musikalischen Zeitung: „Diese lange, äußerst schwierige Komposition ist eigentlich eine sehr weit ausgeführte, kühne und wilde Fantasie...sehr oft scheint sie sich ins Regellose zu verlieren.“ Am Prager Konservatorium galt die Eroica sogar als „sittenverderbendes“ Werk und wurde erst vierzig Jahre nach der Uraufführung öffentlich gespielt. Es ist der heroischer Stil der mittleren Schaffensperiode Beethovens, der heute noch staunen macht wie es auch Wilhelm Furtwängler schildert: „Niemals hat ein Künstler – bei diesem Drang ins Unbedingte – das ‚Gesetz’ so tief erlebt wie er, niemals hat einer sich ihm so unerbittlich und so demütig gebeugt.“

Beethoven bricht die klassischen Regeln und erschafft sie neu. Form und Gestalt legen den Grundstein einer Musiksprache, die das Werk Hector Berlioz oder Franz Liszt erst ermöglicht. Schon allein der erste Satz Allegro con brio dauert so lange wie zuvor eine ganze Symphonie. Der zweite Satz Marcia funebre folgt dem Duktus eines Trauermarsches in dreiteiliger Liedform. Der dritte Satz Scherzo - eine scherzhaft spielerische Charakterszene - fordert besonders die Hornisten des Orchesters, denn Beethoven nahm generell keinerlei Rücksicht auf die Spielbarkeit seiner Werke. Der vierte Satz Finale bringt Variationen über das PrometheusThema sowie Anklänge an verschiedene Nationalmusiken im Sinne eines demokratischen Grundgedankens und endet mit großem Jubel. Als wollte er seine Vorstellung von Leben und Kunst in die Ohren des Publikums meißeln. Im ersten Satz gibt es sogar eine ganz bewusst komponierte „falsche Stelle“. Beethoven schichtet die Töne so, dass sie „unrichtig“ klingen – pure Absicht um den Ausdruck zu verstärken.

Klavierkonzert Nr. 2, cMoll, op. 18 (Uraufführung 1901)

Nikolaj Medtner, selbst ein berühmter russischer Pianist und Komponist schreibt 1933 über seinen Kollegen Rachmaninow: „Die Themen seiner Hauptwerke sind die Themen seines Lebens...Das Thema seines überaus inspirierten zweiten Klavierkonzertes...erweckt [darüber hinaus] stets den Eindruck eines der klarsten Themen Russlands, und nur deswegen, weil die Seele dieses Themas russisch ist. Hier gibt es kein einziges ethnographisches Accessoire, keinen Sarafan [Frauenkleid der russischen Tracht], keinen Bauernkittel, nicht eine volksliedhafte Wendung, und doch spürt man jedes Mal schon mit dem ersten Glockenschlag, wie in all seinem Wuchs Russland ersteht.“ Sergej Rachmaninow knüpft in seiner Tonsprache an die unmittelbare Emotionalität seines großen Vorbildes Tschaikowsky an, was ihn in der Rezeption seiner Musik oft unverstanden ließ. Zu kitschig, lautete das Urteil der „hohen“ Musikwissenschaft. Das Publikum zeigt sich davon relativ unberührt.

Gerade das zweite Klavierkonzert ist ein absoluter Klassiker sprich Evergreen auf den Konzertpodien und auch Hollywood erweist sich im Gebrauch - besonders der betörenden Melodie des langsamen Satzes Adagio sostenuto – keineswegs sparsam. (Billy Wilder Das verflixte siebente Jahr, Pop-nummer All by Myself von Eric Carmen). Pikanterweise starb Rachmaninow 1943 in Beverly Hills, sowjetkritische Aussagen nach der Emigration 1917 zwangen ihn zum teilweise rastlosen Leben eines virtuosen Kosmopoliten.

Das zweite Klavierkonzert bedeutete einen seelisch schöpferischen Durchbruch, nachdem Rachmaninow aufgrund des großen Misserfolgs seiner ersten Symphonie 1897 in eine dunkle Schaffenskrise stürzte. Erst mit Hilfe des Psychologen Dr. Nikolaj Dahl fand er wieder Mut zur kompositorischen Arbeit, als Dank hat er ihm das Konzert gewidmet. Mit dem Wissen über diesen biographischen Hintergrund des Werkes, zeigt sich seine emotionale Wirkung wahrscheinlich noch intensiver. Als müsste der Zuhörer über drei Sätze hinweg einen dreiteiligen Weg absolvieren, um wie Rachmaninow ein weites, helles Ziel zu erreichen. Glockenartige Schläge eröffnen den ersten Satz ModeratoAllegro ehe der Dialog über ein ausladendes und raumeinnehmendes Thema mit dem Orchester beginnt. Fast als läge man auf einer Couch um sich auszureden. Die Assoziation zu Sigmund Freud ist verführerisch.

Die Musik Rachmaninows gibt die Spielregeln vor: Ein musikalischer Gedanke wird formuliert, um gehört, gar akzeptiert zu werden - Ballast darf in Klangmassen und lyrischen Einschüben abgeworfen werden. Der zweite Satz Adagio sostenuto zeigt den Klangmagier Rachmaninow. Ohne viel Anstrengung schüttet er einen pastellfarbenen Topf über das Orchester. Geführt wird das Szenario vom Solisten, der sich mit einer der einfühlsamsten Melodien der Konzertliteratur zu behaupten weiß, mitunter konzertant begleitet von Klarinette, Fagott, ersten Geigen. Der Finalsatz Allegro scherzando mündet in einen einzigen hymnischen Jubel. Generell bietet das Konzert zwei ausgeprägte Gegenpole: Energische Rhythmik und schwärmerische Kantilenen. Der Pianist - wie auf einem Portrait von Boris Schaljapin 1940 zu sehen – hinterlässt auch im Komponisten Rachmaninow seine Spuren: Vollgriffige, große Geste ohne zu verstören.

In memoriam Franz Stepanek

Er wurde am 28. April 1912 in Felixdorf, NÖ, geboren. Die Volksschule besuchte er in Guntramsdorf (1918 – 1922). Schon in der Volksschulzeit bemerkte und förderte man seine besonderen musikalischen Anlagen. Er lernte Violine, Viola und Klavier. Das Gymnasium Traiskirchen absolvierte er mit ausgezeichnetem Erfolg und studierte in kürzester Zeit Deutsch und Geschichte an der Universität Wien. Währenddessen war er Mitglied des Akademischen Orchestervereins Wien. 1935 promovierte der 23jährige zum Dr. phil. Ein Jahr später legte er die Lehramtsprüfung ab. Nach einer kurzen Zeit als Probelehrer am BRG Mödling und als Hilfslehrer in Traiskirchen kam er über die Zwischenstationen Baden, Traiskirchen und der Lehrerbildungsanstalt St. Pölten 1938 nach Waidhofen/Ybbs. In diesem Jahr heiratete er Leopoldine Stipkovich. 4 Kinder entstammen dieser Verbindung.

Im Oktober 1941 folgte die Einberufung zur deutschen Wehrmacht. 1945 kam er nach russischer Gefangenschaft nach Waidhofen zurück, wo er unmittelbar mit der Unterrichtstätigkeit am BRG begann. Bis 1973 lehrte Franz Stepanek Geschichte und Deutsch.

Auch seine kulturellen Aktivitäten nahm er 1945 wieder auf: Er war Mitglied des Hausorchesters der Singgemeinschaft des MGV 1843 (seit 1964 als Kammerorchester Waidhofen/Ybbs ein eigener Verein), und 30 Jahre lang dessen Konzertmeister. In der Singgemeinschaft war er nicht nur als Sänger tätig, sondern auch als Obmann (1976 – 1982), als Chorleiter, Schriftführer und als Chronist bis 1991. Zudem musizierte er als Sänger und Geiger ständig im Kirchenchor.

Unermüdlich und selbstlos war er im Geigenunterricht. Den Generationen von Schülern, die bei ihm lernten, entstammen viele spätere Berufsmusiker in Musikschulen und Orchestern. Der bekannteste ist wohl der Konzertmeister der Wr. Philharmoniker Rainer Küchl.

Mit seinem Freund Rudolf Groß, der Cellist war, war er für Waidhofen als Musikstadt prägend. Für all diese Tätigkeiten wurde ihm 1985 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse verliehen. Den Verlust seiner geliebten Frau 1998 konnte er nicht wirklich verkraften. Er lebte zurückgezogen, gestützt von seinen Kindern und starb am 17. Februar 2005 im 93. Lebensjahr.

Diesem Musiker, der so lange am ersten Pult unseres Orchesters spielte, widmen wir dieses Konzert.

Waidhofen, im Juni 2005
Für das Orchester H. Schwarz