Werkeinführung Neujahrskonzerte 2010
Franz von Suppé wurde 1819 als Neffe Gaetano
Donizettis im dalmatinischen Split geboren. Mit
„Das Pensionat“ (1860) gilt er als Wegbereiter der
Wiener Operette, deren Mentoren natürlich immer
nach Paris beziehungsweise in die Werkstatt
Jacques Offenbachs lugten.
Nach dem Riesenerfolg von dessen Operette „Die
schöne Helena“ (1864) versuchte der Wiener
Impresario Karl Treumann das erfolgreiche Rezept
„mythologischer Stoff in komischer Aktualisierung
mit weiblichem Star“ auf Wien zu übertragen
und gab Suppé einen konkreten Auftrag. Das
Libretto ist eine Bearbeitung von Victor Massés
Opéra comique „Galathée“ (1852). Die Rolle des
Diener Ganymed war nach damaligen Gepflogenheiten
als Hosenpartie angelegt und wurde von
der berühmten Komödiantin Anna Grobecker
dargestellt. Die Pikanterie, dass sie mit der zum
Leben erweckten, mannstollen Statue Galathee
ein Kussduett singen musste, trug wesentlich zum
Erfolg des Stückes bei. Besonders beliebt ist die
Ouvertüre – vielleicht auch in ihren Ohren, nicht
zuletzt durch die Fernsehserie „Kir Royal“.
Auch Johann Strauß Sohn nahm 1871 mit seiner
ersten Operette „Indigo und die 40 Räuber“ den
Wettstreit mit Offenbach, dem pfiffigen Kölner in
Paris, auf. Um dessen Can-Can zu ersetzen,
komponierte er rasante Schnellpolkas und feierte
mit der von der Operette losgelösten Galoppade
„Im Sturmschritt“ auch im Tanzsaal und auf Bällen
große Erfolge.
Wie tagesaktuell die „Sträuße“ komponierten,
zeigt folgendes Beispiel. Auch Josef Strauß hat
seinen Beitrag zur florierenden Eisenbahn-Musik
beigetragen. Zur Eröffnung der Strecke Wien-
München, der sogenannten Elisabeth-Bahn,
wurde am 15. August 1860 ein großes Einweihungsfest
gegeben. Josef Strauß komponierte
aus diesem Anlass die Polka française „Gruß an
München“.
Der große Walzer „Künstlerleben“ ist gewissermaßen
eine Schwester des „Donauwalzers“ und
wurde auch in unmittelbarer zeitlicher Nähe präsentiert.
Wie seine Brüder war auch Johann
Strauss Mitglied der Künstlervereinigung „Hesperus“,
für deren Bälle fleißig komponiert wurde. Der
wohl eleganteste Beitrag entstand mit dem Walzer
„Künstlerleben“ – uraufgeführt am 18. Februar
1867 im Dianasaal. Eine schwebende Erhebung
im Dreivierteltakt, mit der sich auch namhafte
Dirigenten immer wieder mit großem Respekt
auseinandersetzen. Auch ein Gradmesser wie viel
an symphonischer Substanz zum Klingen gebracht
werden kann. Eine echte Herausforderung.
Johann Strauß Sohn war um einen Effekt selten
verlegen. Die Verse „Klipp, klapp, rasch dem
Glücke nach / klipp, klapp, eilt der junge Bach“
aus dem Libretto für die Operette „Waldmeister“
erinnerten ihn an ein eigenes Gedicht aus seiner
Jugendzeit. Über der Partitur zur Operette, begonnen
1894, entstand daraus ein „klappender“
Galopp für die Bühne wie den Tanz- und Konzertsaal.
Spaß soll es machen.
Mit dem Walzer „Sphärenklänge“, uraufgeführt am
21. Jänner 1868, gelang dem studierten Techniker
Josef Strauss - um sein Ingenieurs-Diplom zu
erlangen erfand er übrigens eine Schneeputz- und
eine Straßenreinigungsmaschine - zeitgleich mit
den „G’schichten aus dem Wienerwald“ seines
Bruders Johann ein echtes singuläres Meisterwerk.
Hier zeigt sich sein Hang zu Ernsthaftigkeit
und seine Vorliebe für Molltrübungen und es
manifestiert sich seine unüberhörbare Wertschätzung
für Richard Wagner. Ganz nebenbei: Sein
Dynamiden-Walzer op. 173 diente auch als Vorbild
für Richard Strauss’ Rosenkavalier-Walzer.
Zwar erfüllte sich mit der Hofopern-Premiere der
komisch „ungarischen“ Oper „Ritter Pázmán“ ein
Herzenswunsch für Johann Strauss Sohn, doch
währte die Freude am Tag der Uraufführung (1.
Jänner 1892) nur kurz. Das Werk fiel beim Publikum
gewaltig durch. Einzig die Ballettmusik im
dritten Akt und der abschließende Csárdás lockte
Jubel hervor.
Die Uraufführung Jacques Offenbachs opérabouffe
„Orphée aux enfers“ fand am 21. Oktober
1858 im Théâtre des Bouffes-Parisiens in Paris
statt und war ein echter „Renner“. Die antike
Mythologie rund um „Orpheus und Eurydike“ wie
auch die feine Pariser Gesellschaft samt Kaiser
Napoleon III. wurden kräftig durch den Kakao
gezogen. Ganz nach Offenbachs Geschmack,
dessen Partituren in jüngster Zeit auch verstärkt
aufführungspraktisches Interesse entgegengebracht
wird. Ganz im Sinne Offenbachs, der seine
Partituren immer den örtlichen und personellen
Gegebenheiten anpasste. Sein Ziel war es immer
„eine Art Versicherungsgesellschaft zur Bekämpfung
der Langeweile zu gründen."
Der ursprüngliche Titel der Polka schnell „Plappermäulchen“
war „Plaudertasche“ und bezog sich
auf die 10-jährige Tochter Josef Strauss’ Karoline
Anna. Unabhängig ihres aufgeweckten Temperamentes
wurde das Werk am 26. April 1868 zum
ersten Mal aufgeführt. Ein wahres Bad in der
freien grünen Natur bietet seine 1866 entstandene
Polka mazur „Die Libelle“. Mit feinen Akzenten in
den Streichern fliegt einem das Insekt um die
Ohren, ohne zu stören – die Musik ist einfach viel
zu schön. Es atmet der Tanz seine Schritte.
Aus dem mehr als reichen Fundus seiner „Fledermaus“
hat Johann Strauss Sohn sechs Tanzstücke
arrangiert. Die Polka schnell „Tik-Tak“
bezieht sich auf das „Uhren-Duett“ im zweiten Akt
„Dieser Anstand, so manierlich“.
Der große Walzer „Gold und Silber“ aus der Feder
Franz Lehárs entstand für die Wiener Faschingssaison
1902 und wurde in den Sofiensälen, wo
eine Redoute der Fürstin Pauline von Metternich
gegeben wurde, uraufgeführt. Es war einer seiner
ersten großen Erfolge und er konnte damit als
Operettenkomponist mit „Der Rastelbinder“ am
Carl-Theater einsteigen. Gemeinsam mit Oscar
Strauss und Leo Fall wurde er zum Begründer der
Silbernen Operette. Lehárs Geheimnis liegt in
seinen unendlich scheinenden Melodien – ohne
Ende schwebt der Tanzende über das Parkett,
vom Tagträumer ganz zu schweigen.
Wohl nicht aus steuerlichen Gründen aber immerhin
(!) widmete Johann Strauss Sohn seine
„Champagner-Polka“ dem österreichischen Finanzminister
Carl Freiherr von Bruck. Entstanden
ist sie während der Sommersaison in Pawlowsk
bei St. Petersburg aus Gründen der eigenen
Motivation. Der musikalische Scherz mit knallenden
Sektkorken brachte den Höhepunkt eines
Benefizkonzertes am 12. August 1860.
1875 kreierte Johann Strauss Sohn aus Motiven
der Operette „Cagliostro“ die Schnell-Polka „Auf
der Jagd“ ohne dass im Stück selbst eine Jagd
vorkäme. Ein tanzender Mehrwert – Halali ins
Neue Jahr. Dafür müssen sich auch Natur- wie
Tierschützer nicht in Acht nehmen. Einfach zuhören
und sich erfreuen. Musikalisches Naherholungsgebiet.
© Ursula Magnes