Chronik
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Neujahrskonzerte 2012
Musik der Sträusse – immer tagesaktuell und doch zeitlos

Am 10. Februar 1871 wurde mit „Indigo und die 40 Räuber“ die erste Operette von Johann Strauss Sohn (1825-1899) am Theater an der Wien uraufgeführt. Die Kritik bemängelte vor allem die vielen Walzer-Themen im ¾-Takt. Strauss reagierte umgehend, in dem er nach eigenen Worten eine „Polka-Oper“ namens „Carneval in Rom“ komponierte. Er träumte davon, das Werk auch am Hof-Operntheater aufführen zu lassen. Nach der Uraufführung am 1. März 1873 am Theater an der Wien hielt sich eigentlich nur die schwungvolle Ouvertüre. Und das, obwohl die „Polka-Oper“ laut Emil Pirchan, Biograf von Marie Geistinger, anno 1873 „das Zugstück“ der Wiener Weltausstellung im Prater war.

Im Frühjahr 1867 musizierte Johann Strauss auf Einladung des Comte Charles Xavier Eustache d‘Osmond mit eher mäßigem Erfolg in Paris, indem er das Orchester von Benjamin Bilse leitete, der seinerseits in Wien bei Joseph Böhm Violinunterricht nahm und mit Johann Strauss Vater musizierte. Das Pariser Publikum feierte „Konkurrent“ Bilse und dessen pfiffiges Orchester, nicht aber Strauss. Bis der Chefredakteur von „Le Figaro“, Auguste Delaunay de Villemessant, eine hymnische Kritik veröffentlichte, was den erhofften Durchbruch erbrachte. Aus Dank widmete ihm Strauss die Figaro-Polka op. 320, eine gemäßigte Polka française.

Am 12. Jänner 1864 brüstete sich der zweite Ball der Schriftsteller- und Journalistenvereinigung „Concordia“ mit einer Sensation. Jacques Offenbach widmete der Veranstaltung den Walzer „Abendblätter“, dirigiert von Hofball-Musikdirektor Johann Strauss. Dessen Walzer für diesen Ball nannte die „tanzende“ Wiener Presse noch in derselben Ballnacht „Morgenblätter“ - so schnell kann’s gehen.

Im Sommer 1855 hat Johann Strauss schon zum zweiten Mal nach erschöpfenden Jahren mit Konzertreisen einen längeren Erholungsurlaub angetreten und seinen Bruder Josef mit der alleinigen Leitung der Kapelle betraut. Während sich Johann in Bad Gastein einer Kur unterzog, entschloss er sich die nächsten Sommer im russischen Pawlowsk zu gastieren. Ab Herbst 1855 war Josef Strauss also nicht mehr „Interims-Kapellmeister“, sondern gleichberechtigter Musikdirektor neben Johann Strauss. Er schrieb daher in weiser Voraussicht im Sommer 1855 eine ganze Reihe von Tanzweisen und Konzertstücken.

Am 12. August 1855 führte er in Franz Ungers Casino in Hietzing zwei Novitäten auf, darunter die flotte „Tarantel-Polka“. Mit dieser italienischen Spinne hatte sich bereits Josef Lanner im Jahre 1838 im Rahmen seines „Tarantel-Galopp“ beschäftigt. Uraufgeführt am 22. April dieses Jahres in den k. u. k. Redoutensälen im Rahmen eines „maskierten Balles“. Der Reinerlös kam den Opfern der Überschwemmungen von Ofen bis Pest zugute. Lanner wurde einmal mehr als „Mozart der Tanzmusik“ bejubelt.

Josef Strauss war zwar nicht so brillant im Auftreten wie Johann, stand ihm im Komponieren von Konzertwalzern oder in der Gattung Polka-Mazur um nichts nach. In seinen langsamen Einleitungen erweist sich der „melancholische“ Josef Strauss als wahrer Tondichter mit Sinn für die leisen Töne. In seiner Polka-Mazur „Die Schwätzerin“ op. 144 aus dem Jahr 1863 wird in diesem Sinne angeregt, doch äußerst dezent „geschwätzt“, angezettelt durch die hohen Holzbläser Flöte und Oboe!

Die österreichische Tänzerin Fanny Elßler (1810-1884) erlangte 1836 mit ihrer Aufführung einer spanischen Cachucha in Casimir Gides Ballett „Le Diable boiteux“ („Der hinkende Teufel“) Berühmtheit und sorgte für eine Sensation. Auch die Parodie des behäbigen Volksschauspielers Wenzel Scholz ließ nicht lange auf sich warten. Daraufhin reagierte auch Johann Strauss Vater auf die neue Tanz-Mode und stellte am 7. August 1837 im Etablissement Sperl seinen „Cachucha-Galopp“ op. 97 vor.

Private Umstände kennzeichnen Strauss‘ leidiges Verhältnis zur 1883 in Berlin uraufgeführten Operette „Eine Nacht in Venedig“. Seine zweite Ehefrau Angelika Dittrich motivierte ihn zur Vertonung des Librettos von Camillo Walzel und Richard Genée, begann aber ein Verhältnis mit Franz Steiner, Direktor im Theater an der Wien. Also nichts wie weg! Deshalb die plötzliche Uraufführung der Operette im Berliner Friedrich-Wilhelm-Städtischen Theater unter der Direktion von Julius Fritzsche. Keine Note für einen Nebenbuhler! Strauss gab die Partitur der Ouvertüre seinem Schwager als „gebundenes Closettepapier“. Die prächtige Ouvertüre hat es nicht verdient!

Die Polka-Mazur „Lob der Frauen“ op. 315 entstand für den Fasching 1867 und kann als charmante Hommage „des flotten Jean“ an die „Wiener Weiblichkeit“ gesehen werden. Komponierte Dankesworte des dreifachen Ehemanns. Seine erste, geschäftstüchtige Ehefrau Henriette, geborene Chalupetzky, besser bekannt als Jetty Treffz, starb 1878. Kurze Zeit später heiratete er überstürzt die Breslauer Gesangsdebütantin Angelika Dittrich. Die Ehe wurde 1882 geschieden. Um die verwitwete Adele, geborene Deutsch, heiraten zu können und das katholische Eherecht zu umgehen, wurde Strauss Bürger des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha. Alle drei Ehen blieben kinderlos.

Andere Länder, andere Titel! Nach der erfolgreichen Premiere der Operette „Die Fledermaus“ reiste Strauss 1874 nach Italien und beglückte das Turiner Publikum mit dem Konzertwalzer „Bella Italia“. An Goethes Mignon erinnernd und die Sehnsucht nach Italien und dem Süden im allgemeinen unterstreichend, hörten die Wiener den Walzer erstmals am 10. Juni 1874 in den Blumensälen der Ringstraße unter dem Namen „Wo die Citronen blüh’n“.

Manchmal genügte es Strauss mit einer Komposition auf eine Konzerteinladung zu reagieren, diese abzuwimmeln, wenn er partout nicht reisen wollte. Die Habsburgerin Marie-Christine, Regentin für ihren unmündigen Sohn Alfonso, lud den „Walzerkönig“ wiederholt nach Madrid ein. Strauss schickte ihr den „Spanischen Marsch“ op. 433. Gespickt mit spanischen Motiven und einer exotischen Begleitung mit Kastagnetten. In Wien war der Marsch erstmals am 21. Oktober 1888 im Wiener Musikverein zu hören.

Johann Strauss Vater brachte die französische Quadrille nach Wien. Diese war besonders gut geeignet, um auf aktuelle Opern einzugehen. Auch auf jene von Giuseppe Verdi. Die Oper „Un ballo in maschera“, die nach nahezu endlosen Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde am 21. Dezember 1859 in Rom im Teatro Apollo zum ersten Mal aufgeführt wurde, kam erst acht Jahre später auf den Spielplan der Wiener Hofoper. Johann Strauss präsentierte bereits am 21. Dezember 1862 bei einem Konzert im Wiener Volksgarten, bei dem alle drei Brüder Strauss abwechselnd an der Spitze des Orchesters erschienen, seine „Maskenball-Quadrille“.

Im Sommer 1862 gab Johann Strauss vor krank zu sein, und holte seinen Bruder eiligst nach Pawlowsk. Dieser übernahm brav die Konzertverpflichtungen und steuerte auch ein paar Kompositionen bei, darunter die Polka schnell „Vorwärts“ op. 127. Die Wiener hörten das Werk zum ersten Mal am 22. November 1862. Ein Benefizkonzert der Strauss-Brüder, in dessen Rahmen auch Johann, der sich inzwischen erholte und Jetty Treffz heiratete, wieder auftrat.

1867 dirigierte Johann Strauss am Rande der großen Weltausstellung in Paris. Um sein Repertoire zu ergänzen, komponierte er eine Polka schnell mit dem treffenden Titel „Leichtes Blut“. Die leichtfüßige Polka wurde ein echter Schlager – nicht nur in jenen Pariser Tagen.

Mit der Polka schnell „Vom Donaustrande“ op. 356 schließt sich der Kreis. Die Themen stammen aus dem zweiten und dritten Akt der Operette „Carneval in Rom“ aus dem Jahr 1873.

Die Niederlage der österreichischen Armee gegen das Königreich Preußen 1866 bei Königgrätz machte Johann Strauss tief betroffen und er begann einen Walzer zu schreiben, der „die schöne blaue Donau“ zum Klingen bringen sollte. Er stellte den Walzer aus Zeitnot dem Wiener Männergesangsverein für deren Faschingsliedertafel im Dianasaal am 15. Februar 1867 zur Verfügung, jedoch ohne Coda. In der endgültigen Form wurde das Werk am 10. März im Volksgarten vorgestellt. Von Johannes Brahms ist die Anekdote überliefert, dass er die Anfangstakte des Donauwalzers auf eine Autogrammkarte notierte mit den Worten: „Leider nicht von mir!“.

Ebenso patriotisch versetzt erklang der „Radetzky-Marsch“ op. 228 von Johann Strauss Vater erstmals zum „Siegesfest zur Ehren der Armee“ am 31. August 1848 auf dem Wiener Wasserglacis. Die Wiener feierten den betagten, aber erfolgreichen Feldherrn Wenzel Radetzky von Radetz, der den Aufstand der Italiener in der Lombardei besiegte.

© Ursula Magnes