Chronik
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Sommerkonzerte 2008

Küchl - Saint Saens - Schumann






Programmeinführung

Waidhofen – Paris - Düsseldorf, Immergrüne Tonalitäten

Das Scherzetto 2 (Uraufführung) ist Teil der „Symphonischen Serenade“ op. 44 mit den Sätzen: Preludio, Scherzetto 1, Ostinato lamentoso, Scherzetto 2 und Postludio. Ulrich Küchl gibt Interpreten wie Rezipienten ein paar wesentliche überlegungen zur Musik mit auf den Weg: „Wie der Titel Serenade andeutet, handelt es sich um einen musikalischen Gedanken am Abend, nicht nur am Abend des Tages, sondern auch am Abend des Lebens. Mittelpunkt des Werkes ist das ‚Ostinato lamentoso’, die Klage über den Tod eines geliebten Menschen, gleichzeitig ein Erschrecken über den eigenen Tod. Diese Klage wird umrahmt von den beiden Scherzi. Die wollen nichts verharmlosen, sind eher bittere Ironie, vielleicht Tanz in den Untergang, jedenfalls aber Abbild unserer lebenslangen Ambivalenz der Gefühle, was die Endlichkeit unserer biologischen Existenz betrifft. Auch die gläubige Gewissheit unserer gottgewollten Unsterblichkeit kann den Horror vor dem biologischen Ende nicht vertreiben, aber vielleicht wenigstens mit einem Scherzo übertönen. Die musikalische Sprache ist tonal, eine Sprache, die nicht veraltet. Sie ist konkret und entspricht biophysikalischen Gegebenheiten. Das ist der Grund, warum sie nie verstummt ist und jetzt wieder eine Renaissance erlebt, vergleichbar mit der gegenständlichen Malerei in der Bildenden Kunst.“

1916 schreibt der bereits 81-jährige Camille Saint-Saëns recht lapidar: „Es gibt gute und es gibt schlechte Musik; der Rest ist eine Frage der Mode oder der Konvention, nichts weiter.“ Der große Meister der französischen Musik komponierte „so wie ein Apfelbaum äpfel produziert“ und führte ein überaus produktives vielfältiges Leben. Seinen Kritikern antwortete er unmissverständlich, dass „der schaffende Künstler zwar das unzweifelhafte Recht hat, in die tiefsten Tiefen hinabzusteigen und in die innersten Geheimnisse der Seele einzudringen..., aber dieses Recht ist keine Pflicht.“

Aufgrund seines langen Lebens wurde Saint-Saëns mit zwanzig Jahren als revolutionär eingestuft, mit fünfzig ein Klassiker genannt, der sich um das Werk Glucks und Rameaus bemühte und schließlich als unzeitgemäß gar reaktionär abgetan. Modest Mussorgski betitelt beispielsweise den „Totentanz“ als „Kammerminiatur“, in welchem Saint-Saëns „von einem Dichterling angeregte Einfälle in ein reiches Orchestergewand kleidet und diese Nichtigkeit „Danse macabre“ benennt. Schelte aus der russischen Ecke des „Mächtigen Häufleins“.

Das Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 a-moll entstand 1872 für den befreundeten Cellisten August Tolbecque und wurde bei der Uraufführung am 19. Jänner 1873 vom Publikum der Pariser „Société des Concerts du Conservatoire“ mit wenig Begeisterung aufgenommen. Die durchwegs symphonische Konzeption, mit der Saint-Saëns experimentiert, fiel mehr oder weniger durch. Dessen ungeachtet ist das Konzert bis heute ein fixer Bestandteil des weltweit aufgeführten Cello-Repertoires. Saint-Saëns Werkästhetik verlangt klaren formalen Aufbau – Schönheit war gleichbedeutend mit vollendeter Form – die Orchestrierung durfte farbig, jedoch musste sie unbedingt transparent sein. Das Konzert bietet dem Solisten bereits im Eröffnungssatz virtuos brilliante Passagen. Etwas gezügelt zeigt sich das Tempo (Allegretto con moto) im historisierenden menuettartigen Mittelsatz. Nach dieser tänzerischen Episode steigern sich Solist und Orchester erst zögernd (Un peu moins vite) doch dann umso heftiger im furiosen Wettstreit, bis hin zum effektvollen Schluss.

Robert Schumann komponierte seine Symphonie Nr. 3 Es-Dur 1850. Auffallend ist die Fünfsätzigkeit des Werkes, vermutlich inspiriert durch einen Besuch des Kölner Domes anlässlich der Erhebung des Erzbischofes Johannes von Geißel zum Kardinal. Schumann fügte in Folge den vierten Satz „Feierlich“ hinzu. Die darüber hinaus eher aus der Volksmusik schöpfenden Stimmungen gaben der Symphonie den Beinamen, die „Rheinische“.

Der britische Dirigent und Musikologe Sir John Eliot Gardiner setzte es sich zum Ziel, den Symphoniker Robert Schumann, den „begabten Dilettanten, der weder zu orchestrieren noch das Poetische seiner solistischen Klaviermusik und Lieder in orchestrale Formen umzusetzen vermochte“ gewaltig zu rehabilitieren. Zu gern und leichtfertig jongliert man mit den Auswirkungen Schumanns latent vorhandener Geisteskrankheit. „Schumann meinte, er und seine Zeitgenossen seien nach Beethovens Tod zutiefst verpfichtet, das Ideal einer modernen Symphonie nach neuen Grundsätzen zu schaffen. Das Hauptproblem lag für ihn wie für Berlioz darin, Beethovens einschüchterndes Vermächtnis mit dem Gebot der Originalität in Einklang zu bringen. Während Berlioz meinte, die instrumentale Sprache der Symphonie sei ,reicher, vielfältiger, weniger exakt und dafür, aufgrund ihrer großen Unbestimmtheit, unvergleichlich stärker in ihrer Wirkung’ als beispielsweise die Oper, war Schumann der Ansicht, die symphonische Musik könne als ,das’ künstlerische Medium seiner Zeit die Literatur in ihrem Bestreben ersetzen, Ideen zu verbreiten und die historische Vergangenheit aufzuarbeiten.“ Schumann der „Tondichter“ im wahrsten Sinne des Wortes. Der Literat mit Tönen. Ein „Worttönender“. Und damit ergeben sich auch formal gänzlich andere Möglichkeiten. Theodor W. Adorno nannte es musikalisch „den Gestus des sich Erinnerns, nach rückwärts Schauens und Hörens“.

Zwar stammte der Beiname „Rheinische“, Schumann war ab September 1850 Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf, nicht vom Komponisten selbst, doch schrieb er in einem Brief an seinen Verleger Simrock, dass die Symphonie „hier und da ein Stück Leben widerspiegelt. In einer Unterhaltung mit seinem ersten Biografen und zeitweiligen Konzertmeister in Düsseldorf, Wilhelm von Wasielewski, sprach Schumann bewusst von einem „volkstümlichen“ Charakter des Werkes. Das sonst eher phlegmatische Düsseldorfer Publikum war bei der Uraufführung des Werkes am 6. Februar 1851 sichtlich begeistert. Besonders der „Durchbruch“ im letzten Satz – eine nachdrückliche Geste der Holz- und Blechbläser, auf welche die Streicher in wilden Kasskaden antworten – beeinflusste Gustav Mahler im ebenfalls letzten Satz seiner Ersten Symphonie. Auch für Peter Iljitsch Tschaikowsky gab es „keine größere oder tiefere äußerung der künstlerischen Schaffenskraft“.

© Ursula Magnes